Das wohl schönste Souvenir von einem Mallorca-Urlaub hinterließ uns der spanische Maler Joaquín Sorolla (1863–1923). Bei seinem einmonatigen Aufenthalt malte er zwölf Bilder, die nun erstmals gemeinsam ausgestellt sind. Die Schau ist die letzte Station eines Projekts, bei dem die Werke des Künstlers jeweils an den Orten gezeigt werden, wo sie einst entstanden. Im Fall der Ausstellung in Palma sind das zehn Bilder, die sich normalerweise im Museo Sorolla in Madrid befinden, eine Leihgabe, die vom Museum Es Baluard stammt, und eine zweite aus einer Privatsammlung. Ergänzend gibt es noch eine Vitrine mit Malutensilien und zwei Porträtfotos des Malers.
Beim Rundgang kurz vor der Eröffnung am 3. Juni erklärt die Kuratorin Blanca de la Válgoma vom Museo Sorolla, dass die Mallorca-Reise ein lang gehegter und unverwirklichter Traum von Sorolla gewesen war. Als er 1919 seinen monumentalen Wandzyklus „Visión de España“ für die Bibliothek der Hispanic Society of America in New York abgeschlossen hatte, schien der Moment endlich gekommen zu sein. „Er war völlig ausgelaugt von diesem Großprojekt und suchte danach in Begleitung seiner Frau und seiner Tochter bewusst Erholung auf Mallorca“, sagt die Kuratorin.
Malen zur Entspannung
Freilich war der große spanische Maler des Impressionismus nicht vom Schlag eines Pauschalurlaubers, der ausschließlich passive Entspannung am Strand begehrte. Statt Blut floss quasi Farbe in seinen Adern – für ihn war das Malen ein inneres Bedürfnis, seine Luft zum Atmen. „Sorolla betrachtete das nicht als Arbeit, sondern als eine Art, sich an der Landschaft zu erfreuen“, so Blanca de la Válgoma. Auf Mallorca brachte er Bilder aus purer Lust an der Freude auf die Leinwand, nur für sich selbst. „Das macht sie so wunderbar.“
Bevor Sorolla zum Pinsel griff, traf er nach seiner Ankunft im Sommer zunächst die Malerin Pilar Montaner, die einige Jahre zuvor seine Schülerin gewesen war, und ihren Mann, den Intellektuellen Juan Sureda. Das Paar führte Sorolla zu sehenswerten Orten der Insel, wie Palma, dem Landgut Raixa, der Gegend von Valldemossa oder den Höhlen von Artà. Schließlich begleiteten die beiden ihn nach Cala Sant Vicenç im Nordosten – einem Sehnsuchtsort, der schon viele Künstler inspiriert hatte. Und der sofort auch den spanischen Impressionisten in seinen Bann zog: Sorolla beschloss, rund zwei Wochen dort zu bleiben.
Variationen des Cavall Bernat in Cala Sant Vicenç
Seine Malerei aus diesen Tagen bot eine willkommene Abwechslung zu den Auftragsarbeiten: Hier konnte er sich ganz den Eindrücken der Mittelmeerlandschaft hingeben. De la Válgoma erklärt, dass der Künstler erstmals ein klares Serienkonzept umsetzte: Unter dem Titel „El Cavall Bernat de Cala Sant Vicenç“ malte er neun verschiedene Variationen desselben Motivs – das Meer mit der charakteristischen Klippe der Bucht im Hintergrund.
„Je länger man sie anschaut, desto mehr Unterschiede fallen einem auf. Denn das Licht und die Farben sind völlig verschieden“, sagt die Kuratorin. So zeigt eines der Bilder die Szenerie zur Mittagsstunde mit ihrem gleißenden Licht und dem satt türkisblauen Wasser. Die anderen Gemälde fangen derweil verschiedene Momente der Abendstimmung in Cala Sant Vicenç ein, wenn die sinkende Sonne die Oberfläche des immer intensiver blau leuchtenden Meers in Gold taucht und die Felsen beginnen, in Rosé zu schimmern.
Vollendete Virtuosität des erfahrenen Künstlers
Diese Arbeiten, die nur vier Jahre vor Sorollas Tod entstanden, zeugen von der vollendeten Virtuosität des erfahrenen Künstlers – vor allem, wenn man sich vor Augen führt, wie schnell er die Bilder in dieser so kurzen Zeitspanne gemalt haben muss. In den Kompositionen lässt sich allerhand von Sorollas flotter Technik ablesen: Manchmal ließ er bewusst Stellen der braunen Leinwand frei, die bereits genau den richtigen Farbton für die Felsen am Strand hatte. In anderen Fällen kam die Farbe quasi direkt aus der Tube: Der pastose Auftrag bei den Wellen und Klippen wirkt so frisch, als sei das Bild gerade erst getrocknet.
Zwei Bilder der Serie haben ein etwas größeres Format, und eines davon zeigt auch eine Figur: Sorollas Frau Clotilde, in wallendem weißen Sommerkleid und mit ihrem Strohhut in der Hand. Zudem gibt es noch drei Werke außerhalb der Reihe: eine Darstellung einer liebreizenden jungen Bäuerin (pagesa) in traditioneller Kleidung sowie Gemälde, die vermutlich in dem Haus in Cala Sant Vicenç gemalt wurden, in dem Sorolla untergebracht war. Obwohl man auf einem davon die Cala Barques im Hintergrund erahnen kann, wirkt das Bild kühn und schon beinahe abstrakt.
Sorolla verbrachte im Anschluss noch einige Wochen auf Ibiza, bevor er nach Madrid zurückkehrte. Auf seiner Balearen-Reise sah und malte er zum allerletzten Mal das Meer.
„Viatjar per pintar. Sorolla a Mallorca“: Bis 8. September, Museu de Mallorca, C/. de la Portella, 5, Palma, Di., Fr., Sa., So. 9–14 Uhr, Mi.–Do. 9–19 Uhr. Kostenlose Führungen: Di. 12 Uhr und Mi. 17 Uhr (Spanisch/Katalanisch), Fr. 11 Uhr (Englisch), Anmeldung erforderlich unter [email protected]
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