Das Portal des zweistöckigen Natursteinhauses in Ariant ist an diesem Sonntag weit geöffnet. Rund 70 Personen haben den sieben Kilometer langen, kurvigen Weg auf den Berg zwischen Pollença und Lluc hinter sich und sind froh, im Tal von Ariant angekommen zu sein. So auch die Mitarbeiterinnen der MZ. Den berühmten Garten hatten wir schon mehrfach besichtigt und porträtiert, nun also betreten wir das bis jetzt vor neugierigen Blicken verborgene Haus des verstorbenen Ehepaars: der Schweizer Pflanzenexpertin Heidi Gildemeister und ihres deutsch-peruanischen Ehemanns Enrique Gildemeister.
Mit wenigen Schritten ist eine mit alten Terrakottafliesen gepflasterte Eingangshalle durchquert, und man gelangt zu einem großen, hellen und weißen Raum. Das Licht fällt durch riesige Fenster, jedes einzelne wirkt wie ein Rahmen für den Ausblick in den Garten. Schon im großen Salon fallen weiße Einbauschränke mit leeren Bücherregalen auf, die Gildemeisters besaßen offensichtlich eine große Bibliothek. Vom Salon aus führt eine weitere offene Tür zum ehemalige Zimmer der Gartenbuch-Autorin. Es ist leicht, sich vorzustellen, wie sie von hier aus tagtäglich den Ausblick auf ihr Werk genoss.
Doch das sind vergangene Zeiten. 2012 ging die Ariant-Finca als Schenkung an die Fundació Vida Silvestre en la Mediterrània, eine Stiftung zum Schutz des Mönchsgeiers (Black Vulture Conservation Foundation), Leiterin des Projekts ist die Tierschützerin und Umweltaktivistin Evelyn Tewes. Sie nennt den Grund für die Leere: „Die Erben der Familie Gildemeister haben das Inventar mitgenommen und das Haus der Stiftung vermacht.“
„Der Erhalt des Anwesens ist aufwendig“, sagt sie. Künftig wird die Stiftung vermehrt auf Spenden angewiesen sein. Deshalb ist Tewes auf der Suche nach Partnern, die der Fundació finanziell unter die Arme greifen und im Gegenzug Zeit auf der Finca verbringen können. Zudem hofft sie, mit gespendetem Mobiliar die Gartenvilla wieder im Stil der Gildemeisters einzurichten. Auch die Besucher können helfen: Durch den Kauf eines Fotobandes (50 Euro) mit dem Titel „Ariant“ können sie zum Erhalt der Finca beitragen.
Die Künstlerinnen
Um mehr Einnahmen zu generieren, stellen derzeit die deutsche Malerin und Kunstpädagogin Cris Pink sowie die kanadische Glaskünstlerin Connie Mildner ihre Arbeiten in der kleinen Villa aus. Los ging es im Oktober. Da sehr viele Besucher kamen, gibt es nun auch im November Besichtigungen. Ein Teil der Einnahmen durch Verkäufe geht an die Stiftung.
„Wir wollen einen Betrag dazu leisten, das Haus so weiterzuführen, wie Heidi es hinterlassen hat“, sagt Cris Pink. Blühende Wiesen gehörten abstrakt und figürlich zu ihren Lieblingsmotiven. Sie und die Pionierin mediterraner Ökogärten auf der Insel wären Seelenverwandte, ihrer beider Ästhetik würde über die Natur zusammenwachsen.
Auch Connie Mildner lässt sich von Gärten inspirieren. „Alle meine Arbeiten haben einen Bezug zur Natur“, sagt sie. In dem großen weißen Salon steht eine ihrer Glasskulpturen in Zartgrün, sie stellt eine Wasserlilie dar. In der Halle ist eine weitere Arbeit von ihr zu sehen, sie ist mit vielen Blauschattierungen ein Abbild des Poseidongrases. Immer wieder beeindruckt bei der Besichtigung, wie die Bilder und Skulpturen in den weißen, verlassenen Räumen wirken.
Ein Blick zurück
Die 1.000 Hektar große Finca Ariant hat das Ehepaar Gildemeister in den frühen 1970er-Jahren erworben. Das Anwesen war damals in Parzellen aufgeteilt, es drohte eine Bebauung. Noch während der Zeit des Franco-Regimes gelang es dem Ehepaar, die Grundstücke wieder zu einer Finca zusammenzufügen, und bald wurde das nunmehr in eine Galerie verwandelte Haus, im Tal von Ariant errichtet.
Mit Unterstützung fachkundiger Inselbewohner begann Enrique Gildemeister damals das Land ökologisch zu bewirtschaften, während Heidi Gildemeister mithilfe ihres peruanischen Gärtners die ersten Gewächse in den Berghang setzte. Ein mit den beiden Vertrauter berichtet, dass der Majordomus dem Ehepaar in den Abendstunden ihre Getränke servierte, aber auch, dass Heidi Gildemeister sich tagelang in ein weiter unten am Meer gelegenes Haus an der „Punta de la Sal“ zum Arbeiten zurückzog und ihr Mann sie währenddessen mit Essen versorgte.
Doch Heidi Gildemeister lebte nicht zurückgezogen. Sie war Mitbegründerin der „Mediterranean Garden Society“, reiste viel und lud Gartenfreunde zu sich auf die Finca ein. 1997 erschien ihr Standardwerk „Mediterranes Gärtnern“ erstmals in deutscher Sprache, später wurde es ins Spanische und Englische übersetzt. Bis zum Jahr 2000 leitete sie die Mediterrane Gartengesellschaft. Aus Griechenland, Italien, Kalifornien und Südafrika brachte sie Samen, Ableger und Setzlinge mit auf die Insel. Viele schlugen auf dem Berghang von Ariant Wurzeln. Vielleicht auch, weil Gildemeister wenig goss und viel Mulch und Kompost auftrug.
Stimmiges Kultur- und Naturerlebnis
Der bis heute tadellos gepflegte, dicht bewachsene Garten war ihr Kunstwerk. Zu dem Besuch in Ariant gehört auch ein jetzt herbstlicher Rundgang durch diese etwa zwei Hektar große Anlage. Zuvor wird noch ein Snack auf der Terrasse vor dem Haus serviert. Es sind feine kleine Gerichte, zubereitet von den Betreibern des vegetarischen Restaurants Ginebró in Inca. Die meisten Zutaten stammen von Ariant: die Sobrassada, der Ökohonig, das Olivenöl und auch das Pesto. Und so fügt sich alles zu einem wahrlich stimmigen Kultur- und Naturerlebnis im Tal von Ariant.
Haus, Kunst und Garten besichtigen
Die Besuchstermine der Ausstellung im November sind der 3., der 10. (der 17.11. ist bereits ausgebucht) und der 24. November zwischen 12 und 16 Uhr. Am Sonntag, den 1. Dezember, gleichzeitig erster Advent, soll ein Adventsmarkt mit Geschenkobjekten von Cris Pink und Connie Mildner stattfinden. Der Treffpunkt zur Anfahrt wird nach Anmeldung ([email protected], Tel.: +34 971-57 58 80) bekannt gegeben. Der Eintritt ist frei, wobei Spenden für die Stiftung erbeten werden.
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