Zwei Deutsche und ein Schweizer erobern Andratx

Mit frischem Elan meldet sich das CCA Andratx aus der Winterpause zurück und lockt die Besucher gleich mit mehreren neuen Projekten. Eine bislang ungenutzte Terrasse beherbergt jetzt als Brücke zwischen Kunst und Natur dauerhaft einen begrünten Skulpturengarten mit Werken von Stefan Rinck. Und im angrenzenden Raum, der Gallery II, hat am Sonntag eine Duo-Ausstellung eröffnet, die auf den ersten Blick wie ein minimalistisches Beet wirkt, aus dem die ersten Krokusse sprießen.

Der neue Freiluft-Skulpturengarten von Stefan Rinck. / Nele Bendgens
Die von Virginie Pislot kuratierte Schau trägt den Titel „L’Invention du quotidien“, nach einer soziologischen Theorie des Alltagslebens von Michel de Certeau („Kunst des Handelns“). Sie vereint Werke, die vergangenen Oktober während des sehr speziellen und entschleunigten Alltags einer Künstlerresidenz im CCA entstanden sind – geschaffen von der Berlinerin Franziska Reinbothe und von dem Schweizer David Berweger. So unterschiedlich ihre Herangehensweisen sind: Was sie verbindet, ist ein Hang dazu, sich Zeit zu lassen, eine ausgeprägte Neugier und ein wertschätzender Fokus auf Dinge, die alltäglich sind, oft übersehen werden oder im Verborgenen bleiben.
Gefundene Objekte als Kostbarkeiten
David Berweger reiste mit leeren Händen an. „Dann hat sich ziemlich schnell gezeigt, dass man hier interessante Sachen findet“, sagt er beim MZ-Besuch. „Sachensuchen“ praktizierte der Künstler mit seiner Familie schon in der Heimat. Auf Mallorca zogen sie jeden Morgen mit Handschuhen und Plastiktüten los, um Fundstücke zu sammeln: Schläuche, Metallteile, Feuerzeuge, Gürtel, sogar einen Billardstab. Für Berweger war die Pirsch bereits ein wichtiger Bestandteil der künstlerischen Praxis, gleich einem Ritual. „Weil ich kein Material hatte, war jedes Stück wie eine Kostbarkeit“, sagt er. Das Ausbuddeln eines blauen Fadens etwa habe sich angefühlt „wie ein Goldfund“.
Im zweiten Schritt ging es dem Künstler darum, das physikalische Potenzial der Objekte auszureizen und das Zusammenspiel ihrer Formen zu erforschen. Im Atelier reinigte und sortierte er die „Schätze“ und baute sie zu neuen Objekten zusammen – möglichst reduziert, viele Arbeiten bestehen nur aus zwei Elementen. „Es ging darum, ganz simple Gesten zu machen und das wirken zu lassen, was die Sachen schon mitbringen“, erklärt Berweger.

David Berweger neben einem seiner Objekte. / Nele Bendgens
"Umformungen" und zarte Stoffe
Größere, mitunter fast schon rabiate Gesten nutzt Franziska Reinbothe für ihre Werke. Die bestehen unter anderem aus Bildern, die sie „Umformungen“ nennt: Da wird nach dem Malprozess die Leinwand aus dem Keilrahmen gelöst, von vorne und hinten durchgezogen, geknautscht und gefaltet oder sogar der Rahmen zerbrochen. „Sie sind aus Frustration über eine künstlerische Sackgasse entstanden, in der ich mich vor über zehn Jahren befunden habe“, erklärt Reinbothe. Die Lösung fand sie abseits der reinen Maloberfläche, im Bild mit all seinen Elementen.
Bei anderen Werken bezieht sie den Rahmen mit Chiffongewebe, erreicht durch den zarten Stoff eine Illusion von einem gemalten Faltenwurf und schafft Plastizität. Reinbothe kam, im Gegensatz zu Berweger, mit einem Plan und ihren Materialien im Gepäck auf die Insel. Sie versteht ihre Arbeit als Kontinuität, wobei neue Ort neue Impulse geben: „Während des Stipendiums hier habe ich angefangen, viel lasierender zu arbeiten“, so die Künstlerin. Mehr Transparenz und einzelne Farbschichten hielten somit Einzug in ihre Bilder.

Blick in die Ausstellung "L'Invention du quotidien" / Nele Bendgens
Springen von einem Medium zum anderen
Äußerst vielschichtig zeigt sich auch die kleine, aber sehenswerte Ausstellung der deutschen Künstlerin Sarah Szczesny in einem Teil des Raumes. „Sie springt von einem Medium zum anderen“, sagt Virginie Pislot vom CCA. Malerei auf Leinwand, Textilkunst, Papierarbeiten und Videoanimationen weisen stets popkulturelle Einflüsse auf, etwa aus dem Kino und aus Comics. Wer genau hinsieht, kann einzelne Details immer wieder entdecken. In ihrer Gesamtheit bilden die Werke ein abstraktes künstlerisches Universum mit eigenem Narrativ und voller Energie.

Werke von Sarah Szczesny im CCA. / Nele Bendgens
David Berweger und Franziska Reinbothe, „L’Invention du quotidien“
Sarah Szczesny, „Cabinet of Smokes and Burns“
Jeweils bis 12. April, CCA Andratx, Carrer S‘Estanyera, 2, Di.–Sa. 11–18 Uhr.
Abonnieren, um zu lesen
Si quieres conocer otros artículos parecidos a Zwei Deutsche und ein Schweizer erobern Andratx puedes visitar la categoría Sociedad.
Deja una respuesta
Lo siento, debes estar conectado para publicar un comentario.
Otras noticias parecidas