Wie man den Superstar Anna Netrebko nach Mallorca lotst

Das Klassikfestival Cap Rocat hat im dritten Jahr seines Bestehens bereits einen festen Platz im Kalender der Sommertermine auf Mallorca. Das ist auch das Verdienst von Ilias Tzempetonidis, des künstlerischen Leiters der Konzertreihe. Der 56-jährige Grieche hatte bereits verantwortungsvolle Posten an der Mailänder Scala oder dem Opernhaus in Neapel und Paris inne. Die MZ hat vor dem Start des Festivals am 1. August mit Tzempetonidis gesprochen – in nahezu tadellosem Deutsch.
"Geld ist auf jeden Fall nicht der Grund"
Wie haben Sie es geschafft, Anna Netrebko auf die Insel zu lotsen? Einfach mit viel Geld oder persönlichen Kontakten?
Mit Anna habe ich zuletzt jedes Jahr zusammengearbeitet und ihr immer wieder angeboten, in Produktionen mitzuwirken, mit denen sie zu dem geworden ist, was sie heute ist. Die Künstler kommen nach Cap Rocat, weil sie wissen, dass das Festival professionell ist und sie dort mit Künstlern desselben Niveaus arbeiten. Geld ist auf jeden Fall nicht der Grund. Ich will nicht, dass die Leute nur wegen des Geldes zu uns kommen. Natürlich zahlen wir gut, aber die Künstler könnten bei anderen Auftritten das Dreifache verdienen. Im Falle von Anna habe ich sie direkt angerufen und ihr den Auftritt auf Mallorca vorgeschlagen. Ich habe ihr eine Rolle in Aussicht gestellt, die sie sonst in Spanien nicht singt und sozusagen auf Mallorca exklusiv präsentiert. Dann haben wir mit ihrer Agentur in den Terminkalender geschaut, und weil es gepasst hat, singt sie nun hier.
Anna Netrebko ist umstritten, weil sie sich nach Ansicht der Kritiker viel zu spät vom Putin-Regime distanziert hat. Konzerthäuser haben bereits Auftritte der Künstlerin gestrichen. Wieso setzen Sie in diesen Tagen auf die russische Sopranistin?
Anna hat sich inzwischen ganz klar distanziert. Vergessen wir außerdem nicht, dass sie Familie in Russland hat, auch wenn sie selbst nicht mehr dort lebt. Sie leidet selbst sehr unter dem Krieg. Für mich zählt die Künstlerin, und die kenne ich seit 20 Jahren. Politik ist eine Sache, aber Anna ist die mit Abstand beste Sopranistin unserer Zeit. Wir können so jemandem nicht die Tür zuschlagen. Sie ist über 50 und singt die schwierigsten Rollen makellos. Ich stehe künstlerisch und menschlich voll hinter Anna.

Anna Netrebko, hier 2019 in Wien, kommt nach Mallorca. / Florian Wieser / Efe
Vor allem bei Auftritten in Berlin ist es immer wieder zu Kundgebungen gegen Anna Netrebko gekommen. Befürchten Sie Ähnliches auch auf Mallorca?
Nein. Hier wollen sie die Leute sehen. Berlin befindet sich in einer ganz anderen Situation. Dort ist der Krieg viel näher als auf Mallorca.
Wieso sprechen Sie eigentlich ein so tolles Deutsch?
Ich habe in Thessaloniki die Deutsche Schule besucht, obwohl unsere Familie bis dahin nichts mit Deutschland am Hut hatte. Mein Vater war allerdings ein Fan der deutschen Ordnungsliebe und davon, wie das Land funktionierte. Mit 17 bin ich dann nach Deutschland zum Studieren gegangen und habe in München Jura begonnen.
Und wie ist daraus die Begeisterung für die Welt der Opern geworden?
Ich habe in München gemerkt, dass ich ein großes Interesse an der menschlichen Stimme habe. In der dortigen Oper habe ich „Il barbiere di Siviglia“ gesehen und war fasziniert – vor allem davon, was hinter der Bühne alles passiert, damit eine solche Produktion entsteht. Ich bin dann nach und nach zunächst als Requisiteur und dann nach einem Studium des Kulturmanagements und der Kommunikationswissenschaften in den Opernbetrieb gerutscht. Unter anderem war ich an der Mailänder Scala für das Künstler-Casting verantwortlich.
Wie sind Sie mit der Entwicklung des Festivals in Cap Rocat zufrieden?
Nach den ersten Jahren ist die Reihe inzwischen auch bei den Künstlern bekannter. Sie sprechen untereinander und tragen weiter, dass das Festival gut läuft. Das tun sie auch, weil die Familie Obrador, der das Hotel Cap Rocat gehört, ein phänomenaler Gastgeber ist. Und wir haben große Pläne für das Festival. Es soll eines der dominierenden Festivals in Spanien und Portugal werden. Ich bin da sehr ambitioniert und will auch, dass hier in Cap Rocat ein Repertoire gesungen wird, das von den Zuhörern nicht unbedingt erwartet wird. Es soll eine Reihe sein, die man in dieser Form in Spanien im Sommer sonst nicht findet.
Wie wichtig ist das deutsche Publikum in Cap Rocat?
Sehr wichtig. Von Beginn an hatten wir eine große Anzahl deutscher Gäste. Es sind vor allem Menschen, die Immobilien auf der Insel haben und häufig in großen Festspielhäusern wie Salzburg oder Baden-Baden zu Besuch sind. Es sind Leute, die viel von Oper verstehen.
Die Eintrittspreise für die Konzerte sind happig, die günstigsten Tickets für Anna Netrebko kosten 160 Euro. Nimmt man in Kauf, dass das Festival an der einheimischen Bevölkerung weitgehend vorbeigeht?
Wenn man die Möglichkeit hat, einen Rolls-Royce zu fahren, hat das seinen Preis. Dann braucht man mehr Sprit, das ist eben teurer. Es gibt bei uns aber auch die Option, günstigere Tickets zu bekommen. Residenten beispielsweise bekommen einen Rabatt. Und die anderen beiden Konzerte sind günstiger.
Das Festival läuft vom 1. bis 3. August. Neben Anna Netrebko (3.8.) treten auch Sopranistin Pretty Yende (1.8.) sowie Maxim Vengerov und Evgenia Startseva auf. Restkarten u. Wartelisten: festivalcaprocat.com
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