Ein Bildhauer dekoriert die Vía Verde auf Mallorca

Jedes Mal, wenn Pedro Flores mit seinem offenen Laster auf dem Kiesweg über ein Schlagloch fährt, rumpelt es hinter dem Fahrersitz. Metall schlägt auf Keramik. In einem alten, länglichen Schmortopf hat der Künstler seine schweren Werkzeuge aufbewahrt. „Klar habe ich auch normale Werkzeugkästen. Aber ich nutze eben lieber den Topf. Fertig“, sagt er – und muss dann selbst lachen. „So bin ich. Ich mache die Dinge so, wie ich es will.“

Pedro Flores mit einer seiner Taschen an der Vía Verde / Nele Bendgens
Fenster zum Meer: meistfotografiertes Motiv im Inselosten
Wenn Flores, so wie 2016, auf der Promenade von Cala Millor tonnenschwere Kunstwerke aus Stein und Metall aufstellen möchte, dann tut er es – auch, wenn die öffentlichen Institutionen ihn dabei kaum unterstützen. Noch immer ist dort sein steinernes Fenster mit Blick aufs Meer eines der meistfotografierten Motive im Inselosten. Und wenn er, so wie jetzt, gut zwei Dutzend Skulpturen am Rand der Spazier- und Fahrradstrecke Vía Verde aufstellen möchte, dann tut er auch das. Etwa die Hälfte der rund 25 Kunstwerke, die bald den gut sieben Kilometer langen Streckenabschnitt im Gemeindegebiet Son Servera schmücken sollen, hat er bereits aufgestellt. „Die anderen folgen so bald wie möglich“, sagt Flores.
Cap quadrat mögen ihn wohl einige Mallorquiner nennen. Sturkopf. Und foraster, Auswärtiger. Dabei war Flores erst zwei Jahre alt, als er mit seinen Eltern von Andalusien nach Son Servera zog. Aber Anpassung gehört nicht zu Flores’ Stärken, und mit dem catalanismo, wie er die Bewegung zum Erhalt der katalanischen Sprache abwertend nennt, konnte er noch nie etwas anfangen. Was nicht heiße, dass er die Sprache ablehnt, betont er. „Mir hat man es auf Mallorca nicht leicht gemacht, bis heute nicht.“

Auch Flores' Buchskulptur ziert jetzt die Vía Verde / Nele Bendgens
Großes geschaffen
Sich zu beschweren, das gehört zu Flores’ Charakter. Doch die klassische Opferrolle passt nicht zu ihm. Dafür hat er im Laufe seines mittlerweile 64-jährigen Lebens zu viel Großes erschaffen, im wahrsten Sinne des Wortes: Teils mehrere Meter hoch sind seine Skulpturen, die neben dem öffentlichen Raum im Inselosten auch viele Gärten von Privatfincas zieren. „Meine Kunden sind fast ausschließlich Deutsche“, sagt er. Auch mit der Ausstellung an der Vía Verde hofft er auf Verkäufe. Vor allem aber sei es die innere Unruhe, die in antreibt, schon immer angetrieben hat. „Ich will eben immer mehr. Nicht finanziell, sondern wegen der Herausforderung.“
Das war auch damals schon so, als der kleine Pedro Flores Anfang der 70er-Jahre in die Dorfschule in Son Servera ging. Sein Lehrer in Handarbeit, Don José, war er es, der Flores erstmals spiegelte, dass er zu mehr imstande war als viele seiner Mitschüler – vor allem im kreativen Bereich. „Meine Eltern hatten mit Kunst nichts am Hut, sie waren arm und ungebildet“, sagt Flores. Zumindest seine Mutter habe ihm aber immer das gegeben, was er bis heute am meisten schätzt: Freiheit.

Dieses Werk erinnert an die Industrielle Revolution - eine Epoche, die Flores schon immer spannend fand / Nele Bendgens
Hochgearbeitet
Stück für Stück arbeitete er sich hoch – ohne künstlerische Ausbildung oder intellektuellen Background. Und ohne sich viel um die Steine zu scheren, die ihm, wie er findet, auf der Insel in den Weg gelegt wurden. Stattdessen nimmt er sie auf, gibt ihnen eine neue Bedeutung. Große Brocken, die er bei seinen einsamen Spaziergängen in der Natur findet. Oder kleine handliche, wie den, den er beim Rundgang mit der MZ entdeckt und direkt aufhebt. „Daraus wird eine Tasche.“ Eine, von mittlerweile gut 2.000, die er schon verkauft hat. „Taschen sind mein absoluter Bestseller – in allen Größen“, sagt er. Wenn er einen Stein sehe, wisse er immer direkt, was daraus entstehen solle. „Ich führe eine Art Konversation mit den Steinen. Komisch, oder?“ Offenbar eine fruchtbare. Seit 2004 muss Flores nicht mehr auf dem Bau malochen, sondern kann von seiner Kunst leben.
Politisch ist Flores Kunst nicht. Nur eines seiner Werke geht in die Richtung – und das ist mittlerweile auch schon gut 20 Jahre alt. Ein dreigeteilter Stein, nur dürftig zusammengenäht mit metallenen Fäden. Für Flores ein Sinnbild für den Zustand Spaniens – aktuell direkt hinter dem Tunnel platziert, durch den die Vía Verde von Artà nach Son Servera führt.

Die Skulptur nahe des Tunnels ist die einzige, die politisch angehaucht ist / Nele Bendgens
Alle anderen Werke sind harmlos. Eine große Schnecke. Sofas. Ein Buch. „Jeder darf hineininterpretieren, was er will“, sagt Flores. Künstlerische Freiheit, auch für die Betrachter. Einige Werke verweisen auf seine Biografie. Da ist das Ensemble von Schornsteinen. „Die industrielle Revolution hat mich immer fasziniert.“ Oder ein großer steinerner Briefumschlag. „Früher, als ich im Tourismus gejobbt habe, schrieb ich Urlauberinnen Liebesbriefe.“ Ein Werk heißt „Lieblingsplatz“. Er sei ein Gewohnheitstier, sagt er. Sein Platz in seiner Stammkneipe sei immer derselbe. Und sein Platz in der Welt sei Son Servera. „Seit mittlerweile 25 Jahren habe ich Mallorca nicht mehr verlassen. Hier fühle ich mich wohl.“

Der Brief erinnert Flores daran, wie er sich früher mit Urlauberinnen schrieb / Nele Bendgens
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