Der preisgekrönte Musiker hat sein erstes Buch geschrieben
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Es ist nie zu spät, um etwas Neues auszuprobieren. Der deutsche Komponist und Weltenbummler Harald Weiss, der seit 1984 in Colònia de Sant Pere lebt und vergangenes Jahr seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, gibt mit dem frisch erschienenen Buch „Dämmerzustand“ sein Debüt als Schriftsteller. „Ich bin ja von Haus aus Musiker und dabei sehr breit aufgestellt, von ethnischer Musik bis Klassik“, sagt er im Gespräch mit der MZ. Da bleibe es nicht aus, den Radius zuweilen auf andere Disziplinen wie Film und Theater auszuweiten, was Weiss als Drehbuchautor und Regisseur auch häufig getan hat. „Und irgendwann ist das Wort auch mal das geeignete Medium, um eine Sache zusammenzufassen“, erklärt Weiss.
Zwar hatte er früher bereits Libretti für Opern oder auch fachliche Texte über Musik geschrieben, aber noch nie eine Erzählung. Die Idee dazu reifte schon viele Jahre in ihm, am Ende schrieb Weiss sie aber sehr zügig nieder. „Das Beste an dem Buch ist ja: Es ist sehr kurz“, sagt er und muss bei dieser Aussage selbst lachen. 64 Seiten im Format 12,8 mal 19 Zentimeter lesen sich tatsächlich schnell, doch leichte Lektüre sieht anders aus. „Ich hatte tatsächlich vor, eine kleine Bestandsaufnahme unserer Zeit zu machen“, so der Autor.
Philosophische Gedanken und physische Beobachtungen
Es fange real an und höre real auf, aber dazwischen herrsche eine Logik, wie sie nur in einem Traum vorkommt. Seine Protagonistin heißt Amanda, und sie taumelt durch alle möglichen Bewusstseinszustände, nachdem sie aus der Vollnarkose bei einer Kaiserschnittgeburt erwacht. So erlebt sie etwa ein Konzert, bei dem sie sich in eine Stimme verliebt, stellt existenzielle Fragen und sehnt sich nach einem „Lichtraum“. Es geht zwar letztlich um Amanda, um ihren Mann Toni und um einen seltsamen Gynäkologen, der selten auftaucht, aber eine entscheidende Figur darstellt. Doch das recht befremdliche Setting dient Weiss vor allem dazu, philosophische Gedanken und physische Beobachtungen niederschreiben zu können und in einen Rahmen einzubetten.
Wenn er die Kernaussagen des Buches formulieren müsste, würde Weiss sagen: „Dass der Homo Sapiens, wie er sich so entwickelt hat, noch nicht unbedingt die letzte Form sein kann.“ Es seien dabei „zu viele Dinge quergelaufen, sodass er mal eine Pause braucht“. Seine Sehnsucht nach einem einfacheren Zusammenleben unter den Menschen schwinge im Text mit. Die zweite Botschaft lautet, dass das Ohr wieder mehr in den Mittelpunkt rücken sollte. Denn das Auge übernehme bei uns Menschen viel zu oft das Steuer, findet er.
Wenn die Welt musikalisch und sinnlich wird
„Was mich interessiert hat, war die Vorstellung, was passiert, wenn das Augenlicht einmal in die zweite Reihe tritt und man die Welt über andere Sinne wahrnimmt. Dann wird sie nämlich sehr musikalisch und sehr sinnlich“, sagt Weiss. Er selbst praktiziere diese Übung etwa im Wartezimmer beim Arzt, wo er die Augen schließt, auf das Flüstern, die Schritte und alle anderen Geräusche lauscht. „Ich nehme die Umgebung dann ganz anders wahr. Und als so spannend, dass die Wartezeit mir am Ende viel zu kurz vorkommt.“
Wahrscheinlich hätte nur ein Komponist diese Erfahrungen auf eine so plastische Art und Weise wie hier zu Papier bringen können. „Bei mir dreht sich alles um das Auditive“, betont der Musiker. „Musik und Klänge im Allgemeinen sind ein großer Motor für das ganze Buch.“ Aber ist es nicht ein gewisser Widerspruch, für einen Appell, auch unsere anderen Sinne zu gebrauchen, ausgerechnet die Textform zu wählen? Ohne unseren Sehsinn liest es sich schließlich schlecht. Darauf angesprochen, fühlt sich Weiss ein wenig ertappt.
Aber Weiss hat eine Lösung: Er plane nämlich auch eine Hörbuch-Version, die ihm mehr Spielraum erlaubt, Klänge einzuflechten. Fürs Erste können sich Interessierte auf eine Lesung in der „Bodega Cultural“ freuen, die der Komponist in seinem Kakteengarten in Colònia de Sant Pere einrichtet. Das Event soll am 11. April stattfinden, genaue Infos dazu will er bald auf seiner Facebook-Seite bekannt geben.
„Dämmerzustand“, Harald Weiss, Manuela Kinzel Verlag, 2025, 64 Seiten, 11,50 Euro. Zu bestellen auf der Verlagswebsite manuela-kinzel-verlag.de
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Cover des Buches "Dämmerzustand" von Harald Weiss. / Manuela Kinzel Verlag
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