Der Circ Històric Raluy entführt in eine magische Welt voller Fantasie

Beim kräftigen Regenguss am Freitagvormittag (21.3.) wird das Zirkuszelt zum Refugium vor den Naturgewalten. Auch wenn der heulende Wind des Sturmtiefs Martinho die Scheinwerfer leicht wackeln lässt und flinke Hände rasch ein paar mit rotem Samt bezogene Stühle vor der Feuchtigkeit retten müssen: Im behaglich dunklen Inneren herrscht volle Konzentration. Es ist der Premierentag in Palma für den Circ Històric Raluy, der neben der MZ-Redaktion Quartier bezogen hat. Die Künstler nutzen die Zeit, bis der Vorhang aufgeht, für letzte Vorbereitungen und Proben.

Führt mit durch das Programm: der Clown Sandro Roque. / Nele Bendgens
Besonders wichtig ist das für eine Tänzerin, die aus der Ukraine stammt: Anastasia ist gerade erst neu zur Truppe gestoßen und probt zum ersten Mal mit allen gemeinsam. Es scheint nach Plan zu laufen. William Giribaldi blickt anerkennend in die Manege: „Ich bin immer sehr beeindruckt von den Tänzerinnen, weil sie ja im Gegensatz zu den Artisten, die ihre Nummern schon beherrschen, in kürzester Zeit neue Choreografien lernen“, sagt der 52-jährige Italiener, der in die katalanische Familie Raluy eingeheiratet hat. Gemeinsam mit der künstlerischen Leiterin Rosa Raluy und ihren beiden Töchtern Kimberley und Jilian lenkt er heute die Geschicke des Zirkus, dessen Ursprünge bis zum Jahr 191 1 zurückreichen.
Jonglage in allen Bereichen
„Die Show ist eine Einheit. Das Publikum soll nicht bemerken, wann eine Einlage endet und die andere anfängt“, erklärt Giribaldi. Tanzelemente verbänden die Nummern und würden dafür sorgen, dass alles im Fluss ist. Das neue Programm, das noch kein Jahr auf dem Buckel hat und nach der Tournee durch Katalonien nun hier auf Mallorca Station macht, heißt „Amuza“ – was in der internationalen Sprache Esperanto so viel wie Spaß und gute Unterhaltung bedeutet.
Und Giribaldi, der mit Zigarrenkisten jongliert, will mit seinem Part besonders viel Humor und Zerstreuung hineinbringen. Nebenbei wuppt er die Technik und Verwaltung des Zirkus. „Ich jongliere in der Manege und mit der Organisation“, scherzt er. Letzteres sei schwieriger, weil immer unvorhergesehene Dinge passieren können. Vor zwei Tagen erst hat ihn beim Aufbau eine mallorquinische Zwergpalme schmerzhaft am Auge erwischt. Solche Überraschungen gebe es beim echten Jonglieren kaum.
Von Nervosität und Lampenfieber ist aber weder bei Giribaldi noch beim Rest der hochprofessionellen Truppe etwas zu spüren – die letzte Aufführung ist auch noch keine Woche her. Im Zelt herrscht ein Sprachenmix aus Englisch, Katalanisch, Spanisch und Italienisch, und alle wirken gelassen und heiter. Zur Feinjustierung vor der Show in Palma gehört nun, die Scheinwerfer richtig einzustellen: „Die Artisten müssen schön ausgeleuchtet sein, das Licht darf sie aber auf keinen Fall blenden“, betont der technische Leiter.

Wirbeln nicht nur in der Luft herum: die Schwestern Jilian und Kimberley Raluy.
„Brava!“-Rufe vom Rand
Seine Töchter Kimberley und Jilian, die als die „Raluy-Schwestern“ mit verschiedenen Arten von Akrobatik auftreten, werden gerade in atmosphärisches blaues und in pulsierend zuckendes Licht getaucht, während sie sich auf den weißen Matten am Manegenboden zum Aufwärmen dehnen. Dann wirbeln die Artistinnen so lange unter anfeuernden „Brava!“-Rufen vom Rand virtuos mit Seilen, die an den Enden mit Gewichten versehen sind, bis sie ins Schwitzen kommen und ihre Bruce-Springsteen-Fan-Sweatshirts ablegen.
Rosa Raluy derweil scheint mit ihrem wachsamen Direktorinnen-Blick immer an allen Orten gleichzeitig zu sein. Sie ist nicht nur die künstlerische Leiterin der Truppe, sondern hat als vielseitige Künstlerin auch selbst eine poetische Nummer im neuen Programm. Diese darf die MZ-Redakteurin zwar vorab sehen, aber kein Wort darüber verlieren, weil sie so exklusiv und streng geheim ist. Dafür nimmt sich Rosa Raluy einen Moment für ein Gespräch Zeit – im nostalgischen Cafeteria-Wagen, der im Sturm ein wenig schwankt wie ein Schiff auf hoher See. Die das Zelt umgebenden, geschichtsträchtigen Gefährte tragen zum besonderen Reiz des Raluy-Zirkus bei.
Versiertheit und Ausdruck
„Man muss mit der Zeit geben, aber uns gefällt die Kombination aus traditionellem und zeitgenössischem Zirkus“, sagt sie. Ursprünglich stand pures Können ohne Narrativ im Vordergrund. Dann gab es eine Entwicklung hin zu mehr Theater, Erzählung und Botschaften. Heute gehe es darum, diese zwei Komponenten in Einklang zu bringen: Versiertheit und Ausdruck, fantastische Nummern und dennoch einen roten Faden.
Der charismatische Clown Sandro Roque ist bei „Amuza“ eine Schlüsselfigur, die die Zuschauer durch das Programm begleitet. Zurück im Zelt, setzt sich der Portugiese dazu und erklärt, dass für ihn der Wechsel zwischen temporeichen und ruhigeren Nummern das neue Spektakel ausmache. „Die ganze Show ist so (macht eine Wellenbewegung mit seiner Hand): Das Publikum hat keine Chance, sich zu langweilen.“ Auch abseits der Manege beweist Roque Humor, indem er auf die Frage, wie oft er selbst auftritt, antwortet: „Viel zu oft. Für alle. Für die anderen und für das Publikum.“ Dann wird er einen Moment ernst und sagt: „Ich bin Zirkuskünstler in sechster Generation. Das ist kein Hobby, ich lebe dafür!“ Das Schönste seien für ihn am Ende die Blicke der Wertschätzung und Begeisterung.
Brüder im Gleichgewicht
Müsste man einen Artisten des Ensembles auswählen, der das Gefühl „Euphorie“ mit seiner Ausstrahlung perfekt verkörpert, wäre es wohl Omar Marton. Er ist der bewegliche Part in der Handbalance- und Partnerakrobatik-Nummer mit seinem älteren Bruder Johnny Marton. „Wir haben damit begonnen, als ich 13 war“, erzählt der heute 40-Jährige, der aus einer Zirkusfamilie stammt, in einer Probenpause. „Es gab anfangs viele Stürze und Knochenbrüche, aber am Ende haben wir es geschafft.“ Schon sein Vater habe immer von dieser Nummer geträumt, die viel Kraft und Koordination erfordert, war aber daran gescheitert, selbst nur Schwestern zu haben.
Seit zwei Jahren arbeiten die Brüder, die als Duo Fratelli Marton auftreten, mit dem Zirkus Raluy zusammen. Für Omar Marton ist diese Zeit nun etwas ganz Besonderes, da sein Bruder plant, künftig mit seinen eigenen Kindern aufzutreten. Dieses Jahr ist also nach 27 Jahren ihr letztes als Duo – ein fulminanter Abschluss, den der Handbalancierer mit etwas Wehmut, aber vor allem mit viel Freude erlebe. Starke Gefühle, die gut zur Show „Amuza“ passen: „Sie ist voller Emotionen und Adrenalin – das mag ich so an ihr“, sagt Marton. „Wir wollen, dass die Leute bei uns ihre Alltagsprobleme vergessen und eine magische Welt voller Fantasie betreten.“ Noch bis Mai gibt es dazu nun auf Mallorca die Gelegenheit.
Zirkus in Palma
„Amuza“, Circ Històric Raluy, meist Do. bis So., bis 3. Mai, Carrer del Callao, 28 (neben MZ und „Diario de Mallorca“), 15–40 Euro (Erwachsene),9–30 Euro (Kinder von 3 bis 12 Jahren), dazu gibt es viele Angebote/Rabatte, Karten unter: raluy.com
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