Das Ballet National de Marseille kommt für zwei Aufführungen auf die Insel

Eine Wohngemeinschaft kann, je nach Lebensphase, alles Mögliche sein: von harmonischem Zusammenleben zu zweit bis zur zügellosen Party-Kommune. Das prestigeträchtige Ballet National de Marseille will mit seinem Programm „Roommates“ (Mitbewohner) nun den Choreografen Tribut zollen, die mit ihren vielfältigen Handschriften die mehr als 50-jährige Geschichte der französischen Kompanie geprägt haben.
Seit 2019 obliegt ihre künstlerische Leitung einem rebellischen und radikalen – und gerade dafür von Kritikern gefeierten – Trio: (La)Horde, bestehend aus Marine Brutti, Jonathan Brouwer und Arthur Harel. Zu den prominentesten Fans des Kollektivs gehört niemand Geringeres als Madonna, die (La)Horde 2023 mit der Choreografie für ihre „Celebration Tour“ beauftragt hatte. Sam Smith wiederum holte sich die drei für sein Musikvideo zu „Unholy“ ins Boot.
Sexualität und Protest
Bei dem eklektischen Programm, das nun einmal in Cala Millor und einmal in Palma zu sehen ist, zeichnen Brutti, Brouwer und Harel selbst für zwei von den insgesamt sechs ausgewählten Stücken verantwortlich: „Weather is Sweet“ und „Room With a View – Excerpt“. Ersteres ist eine Neukreation und illustriert eine energiegeladene Erforschung der Sexualität und der Selbstliebe, die Erkundung von Körpern durch Berührungen, Hebungen, Cambrés, Sprüngen und frenetische Hüftbewegungen. Das wilde „Room With a View“ hingegen erzählt mit tänzerischen Mitteln von Protest, Rave und Aufruhr, mit vielen erhobenen Armen und viel Trotz einer wütenden Jugend.
Durch die Kombination der unterschiedlichen älteren und neueren Stücke will (La)Horde unter anderem die Frage aufwerfen, warum man ein Repertoire reaktivieren sollte und wie man es dabei aktualisieren kann. Unter den anderen Stücken war eines für den Erfolg des Ballet National de Marseille besonders bedeutsam: das 1992 geschaffene und weltweit Hunderte Male aufgeführte „Les Indomptés“ von Claude Brumachon und Benjamin Lamarche, das von der Aids-Krise inspiriert ist und heute noch genauso berührt wie damals. 1999 wurde das Stück von Marie-Claude Pietragalla für die Opéra de Marseille neu inszeniert. Sein Erfolgsrezept: schlichtes Bühnenbild und reduzierte Kostüme – Jeans und nackte Oberkörper – und ein zarter und zugleich starker Bewegungsdialog zweier männlicher Körper, die sich voneinander lösen und wieder zueinander zurückkehren.

Szene aus "Grime Ballet". / Thierry Hauswald
Streetdance trifft Ballett
Besonders kreativ und mit vielen frischen Impulsen kommt hingegen das Eröffnungswerk „Grime Ballet – Dance Because You Can’t Talk to Animals“ von Cecilia Bengolea und François Chaignaud daher: Die männlichen und weiblichen Tänzer stecken zwar in Ballett-Spitzenschuhen, doch Klassik trifft hier auf Streetdance. Befeuert wird das Stück durch einen treibenden Soundtrack, der seine Energie aus dem britischen elektronischen Musikstil Grime bezieht. Vier Tänzer spielen hier kühn mit ihrem eigenen Gleichgewicht und mit der fruchtbaren Begegnung zwischen den verschiedenen tänzerischen Elementen.
Poetisch-düster wird es hingegen mit „Oiwa“, einer Schöpfung des belgischen Tanztheater-Ensembles Peeping Tom. Das Stück ist von einer gruseligen japanischen Legende inspiriert: Sie erzählt die Geschichte des rachsüchtigen Geistes einer jungen Frau, die von ihrem Ehemann betrogen und mit Gift ermordet wurde. Das Publikum wird hier in eine mystische Welt transportiert, in der Tänzer aus dem Rauch auftauchen. Machtdynamiken leiten das Duett eines passiven weiblichen Körpers, der sich endlos dreht. Eine andere weibliche Figur klettert, rollt und schleppt sich über den Boden. „The Guardian“ kommentierte in einer Kritik etwas salopp: „Letztendlich viel Trockeneis und halb nackte Frauen, die sich wiederholt um einen weniger nackten Mann drapieren.“

Szene aus "Lazarus". / Didier Philispart
Komplettiert wird das Programm – dessen Zusammensetzung in der Vergangenheit immer wieder leicht variiert wurde – durch „Lazarus“ von der Irin Oona Doherty: Hierbei bildet die teilweise harte Choreografie einen Kontrast zu den zeremoniellen Klängen von Gregorio Allegris „Miserere“. Ein weiterer Baustein in diesem Repertoire, das von großer Bandbreite zeugt – und von diversen Einflüssen, die die künstlerische Vision der Kompanie ausmachen.
6. April, 20 Uhr, Auditòrium Sa Màniga, C./ Son Galta, 4, Cala Millor, Eintritt: 29 Euro, Karten unter: samaniga.es
8. April, 20 Uhr, Teatre Principal, C/. de la Riera, 2, Palma, Eintritt: 10–45 Euro, Karten: teatreprincipal.com
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