Sociedad

Deutsch-israelisches Tanztheater-Projekt nimmt auf Mallorca Gestalt an

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Es ist der typische Geruch, den alte mallorquinische Stadthäuser mit sich bringen, der einem auch im Can Pep Nebot entgegenschlägt. Nicht unangenehm, eher geheimnisvoll. An der Plaça de Sant Joan im Ortskern von Son Servera auf Mallorca gelegen ist hier ein altehrwürdiges Gebäude auf dem besten Wege, zu einer internationalen Künstlerresidenz zu werden.

Die Betten sind etwas zerwühlt, hier und da liegt Kleidung herum – ein bisschen Chaos lässt sich nicht vermeiden, wenn viele Kreative auf engem Raum wirken. Nicht, dass das Can Pep Nebot – benannt nach dem mallorquinischen Keramikkünstler, der einst hier lebte – ein kleines Haus wäre. „Aber für acht Menschen ist es eigentlich nicht ausgelegt“, sagt Ursula Becker. „Hätten wir acht Maler hier, würde das niemals gut gehen, aber Tänzerinnen sind ja zum Glück Teamplayer“, pflichtet Andreas Schmitz vergnügt bei.

Dem deutschen Ehepaar, das das Haus im September 2021 erwarb, ist anzusehen, dass es zufrieden ist mit seinen Gästen, die Anfang August ankamen. Vier Frauen aus Israel und vier Frauen aus Deutschland, die gemeinsam kreativ wirken. Nach der deutschen Künstlerin Silke Silkeborg, die erst kürzlich mehr als drei Monate lang im Gebäude verweilte, ist es das zweite Mal, dass Kunstschaffende die neue Residenz nutzen.

Großes Theater mit Anspruch

Was hier entsteht, ist keine kleine Nummer. Es ist der erste Teil eines internationalen Tanztheater-Projekts, das von langer Hand geplant ist. „Die Idee entstand 2021, als wir in Köln zusammentrafen“, berichtet die deutsch-kolumbianische Choreografin Bibiana Jiménez vom XX-TanzTheater und deutet auf ihre israelisch-georgische Kollegin. Annabelle Dvir vom Ensemble WOMEN OF SOUND nickt. „Wir haben uns damals in der Künstlerresidenz Quartier am Hafen in Köln kennengelernt und merkten, dass wir zusammen performen möchten“, bestätigt sie.

Genau wie das Can Pep Nebot untersteht auch das Quartier am Hafen – ein riesiger Gebäudekomplex mit 86 Ateliers am Rhein – dem Immobilienunternehmer-Ehepaar Schmitz-Becker. Die Rheinländer teilen die Liebe zur Kunst und zu Mallorca, haben seit Langem ein Haus in Costa dels Pins, heirateten einst sogar in Artà und beschlossen vor einigen Jahren gemeinsam, auch an ihrem Herzensort Mallorca eine Künstlerresidenz aufzubauen. „Bis es richtig losgehen kann, hat es natürlich gedauert, auch jetzt ist noch nicht alles fertig“, so Schmitz. „Aber wie man sieht, ist das Haus bereits nutzbar.“

Die israelischen und deutschen Künstlerinnen im eindrucksvollen Kellergewölbe der neuen Künstlerresidenz.  | FOTOS: SOPHIE MONO

Die israelischen und deutschen Künstlerinnen im eindrucksvollen Kellergewölbe der neuen Künstlerresidenz. | FOTOS: SOPHIE MONO

Gemein haben das Can Pep Nebot und das Quartier am Hafen zunächst wenig. In Son Servera dominieren alte Steinböden, verwinkelte Zimmer und historische Möbel – kein Vergleich zu dem modern-sterilen und weitflächigen Neubau in Köln. „Wir wollen hier bewusst keine White Box, sondern einen Ort mit eigenem Charakter“, betont Schmitz. Und Charakter hat das Haus in jedem Fall. Die hohen Decken, die steinernen Treppen, der weitläufige Dachboden, die urige Küche und der kleine Innenhof – alles versprüht den Mallorca-Charme vergangener Jahrhunderte. Der größte Aha-Effekt ist im Keller zu finden: Das alte Gewölbe scheint prädestiniert für einen Tanz- und Musikprobenraum zu sein.

„Wir nehmen hier viel Input mit. Natürlich beeinflusst der Ort unseren kreativen Prozess“, sagt Choreografin Jiménez. „Und die Tatsache, dass wir hier nicht nur gemeinsam arbeiten, sondern auch kochen, schlafen, leben und essen, bringt eine sehr interessante Dynamik in die Gruppe“, pflichtet Ulrike Janssen bei. Die Dramaturgin übernimmt das Storytelling der Performance, die hier, bei dem ersten Treffen der Tänzerinnen aus Deutschland und Israel, Gestalt annimmt.

„InVisible» ist der Name des Projekts, das eigentlich zunächst bei einem Treffen in Israel und dann in Deutschland erarbeitet werden sollte. Der Überfall der Hamas und der Gaza-Krieg warfen die Pläne über den Haufen, Mallorca wurde als spontane Alternative auserkoren. „Aber es ist auch interessant, dass die Gruppe quasi an einem neutralen Ort erstmals zusammengetroffen ist“, findet Choreografin Annabelle Dvir. Drei Tage war sie mit ihren Tänzerinnen unterwegs, um trotz der gekappten Flugverbindungen von Israel nach Mallorca zu kommen. „Letztlich flogen wir über Zypern und Bristol.“ Wie die vier Ende der Woche zurück nach Israel kommen, wissen sie noch nicht. „Irgendwie wird es schon klappen.“

Erste Performance am Freitag in Son Servera

Bis dahin wird an „InVisible“ gearbeitet. Schon jetzt ist klar: Es wird ein multidisziplinäres Tanztheaterstück mit hohem Anspruch. Wie meist bei den Werken von Jiménez und Dvir ist die Thematik gesellschaftlich relevant, es geht um widerständige Frauen im Kampf gegen totalitäre Systeme. „Sie haben die Geschichte mitgeprägt, nicht aber die Geschichtsschreibung, waren oft unsichtbar und doch präsent“, so Dramaturgin Ulrike Janssen.

Nach einer zweiten Probenphase in Deutschland im September steht dann am 10. Oktober die Premiere in der TanzFaktur in Köln an. Erste Eindrücke bieten die Frauen aber schon an diesem Freitag (16.8.) um 21 Uhr bei einer kostenlosen Performance auf dem Platz vor der Kirche Esglesia Nova in Son Servera. „So können wir auch den Mallorquinern etwas zurückgeben“, sagt Andreas Schmitz, „das ist uns wichtig.“

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