Es ist durchaus eine ereignisreiche Woche für Alphaville-Sänger Marian Gold. Er ist zum ersten Mal auf Mallorca, macht gerade zum ersten Mal seit Jahren mit seinen sieben Kindern gemeinsam Urlaub – und dann platzt auch noch die Nachricht herein, dass sein größter Hit „Forever Young“ zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder in die deutschen Charts eingestiegen ist (Platz 78). Einem erfolgreichen Konzert beim Port Adriano Music Festival am Samstag (10.8.) dürfte also nichts mehr im Weg stehen.
Herr Gold, können Sie mir erklären, warum „Forever Young“ wieder in den Charts ist?
Ich weiß nicht, ob irgendwer das erklären kann. Es gibt da sicherlich einige Faktoren, die dazu beigetragen haben könnten. Zum einen, dass Plattformen wie Tiktok eine Rolle spielen. Zum anderen, dass unsere Tour im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg zu unserem Album „Eternally Yours“ sehr erfolgreich war. Zum anderen veröffentlichen wir bald ein neues Best-of-Album und gehen ab Herbst auf Tournee.
Alphaville-Gründungsmitglied Bernhard Lloyd wirbt auf Instagram für das Best-of-Album. Wird es ein Comeback in der Band geben?
Nein, er geht seit 2000 einen eigenen musikalischen Weg. Aber wir sind weiter befreundet und unterstützen uns gegenseitig.
Wechsel der Besetzung positiv
Sie sind das einzige verbliebene Original-Gründungsmitglied.
Die Wechsel in der Besetzung empfinde ich als positiv. Wir wollten uns immer weiterentwickeln. Die Wechsel in der Mitgliedschaft kommen dem entgegen, sie erschließen neue Wege. Gleichzeitig gibt es auch eine Kontinuität. Unser Gitarrist David Goodes ist seit 1995 dabei. Wir arbeiten seit einigen Jahren an einem Album mit dem Arbeitstitel „Thunder Baby“. Es soll im Herbst 2025 herauskommen.
Wie hat sich der Songwriting-Prozess in diesen 40 Jahren verändert?
Ich möchte nicht abstreiten, dass ich in diesen Jahren ein routinierter Musiker geworden bin. Gerade deshalb ist es wichtig, sich die Naivität und die Neugierde aus der Anfangszeit beizubehalten. Das ist natürlich schwer. Aber gerade in Zeiten von KI ist es wichtig, das Dilettantische, das Unfertige zuzulassen. Man darf nicht zu perfektionistisch sein. In unserer Anfangszeit war das natürlich anders.
Da haben Sie die Perfektion gesucht?
Ja, denn da wollten wir unseren Dilettantismus kaschieren.
«Ohne Technologie hätte es uns nicht gegeben»
Sie erzählen in Interviews, dass die Anfang der 80er-Jahre existierende Technologie – Sequencer, Drum-Maschinen etc. – Grundlage dafür waren, dass Alphaville existieren konnte. Wie ist Ihr Verhältnis zur Technologie heute?
Ich habe immer versucht, mit dem zu arbeiten, was ich zur Verfügung habe. Der Ansatz, dass man bestimmtes Equipment braucht, um etwas umzusetzen, ist sicherlich legitim, aber das ist nicht mein Charakter. Wenn ich nur einen Vorschlaghammer und eine Kaffeemaschine habe, versuche ich eben damit etwas zu machen. Nur so kann man einen neuen Weg gehen. Aber ohne die Technologie von damals hätte es uns nie gegeben. Wir waren ja keine Musiker, sondern Fans. Wir hatten Ideen im Kopf und plötzlich gab es bezahlbare Mittel, um diese umzusetzen.
Es klingt, als hätten Sie Pop-Musik mit Punk-Attitüde gemacht.
Absolut. Punk war eine große Inspiration für uns. Etwa in der Hinsicht, dass man mit beschränkten Mitteln arbeitet. Es ist sehr wichtig, sich zu beschränken, denn nur so arbeitet man diszipliniert. Und am Rande des Wahnsinns ist Disziplin eine fruchtbare Eigenschaft.
Setzen die Hits einenen unter Druck?
Der zweite Song, den Sie geschrieben haben, war „Big in Japan“. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie heute Songs schreiben? Setzt es Sie unter Druck, dass vielleicht nie solche Songs herauskommen wie in der Anfangszeit?
Ach, ich bin so ein Optimist, dass ich immer davon ausgehe, dass ich einen noch erfolgreicheren Song als „Forever Young“ schreiben werde. Aber auf dem Weg dahin schreibe ich so tolle Musik, dass es mir egal ist, ob es erfolgreich wird. Wir waren nie so blöd, auf einen Zug aufzuspringen, um erfolgreich zu bleiben. Das ist das Geheimnis, warum es Alphaville heute immer noch gibt.
Sie waren fast 30, als Sie mit der Musik begonnen haben und kurz darauf ein Popstar wurden. Ein vergleichsweise hohes Alter für die Branche. War das Alter, die Lebenserfahrung ein Vorteil?
Ich glaube nicht. Die meisten Dinge, über die ich schreibe, habe ich nicht selbst erlebt. Das ist, wie wenn man einen Roman schreibt. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen. Die meisten Alphaville-Lieder haben einen Protagonisten. Mir als Sänger ist es wichtig, dass ich dem Publikum etwas vermitteln kann. Da spielt es auch keine Rolle, ob das Publikum versteht, was genau ich mitteilen möchte. 70 Prozent der Menschen wissen bis heute nicht, dass „Big in Japan“ nicht von Asien handelt, sondern von der Heroinszene der 80er-Jahre am Bahnhof Zoo in Berlin. Aber die Lebenserfahrung ist beim Songwriting nicht so wichtig – meine beiden Kollegen bei Alphaville waren zehn Jahre jünger als ich. Zumal es ja häufig auch Details sind, die entscheidend sind.
Inwiefern?
Nehmen Sie etwa „Forever Young“. Als wir den Song geschrieben haben, war ich mit den Strophen zufrieden, der Refrain war mir aber zu glatt. Also habe ich zur Band gesagt, dass ich da noch mal drangehe. Da hat Frank Mertens (Original-Keyboarder, Anm. d. Red.) gesagt: „Um Gottes willen, lass ihn so, wie er ist.“ Dass wir gute Songs geschrieben haben, lag daran, dass es zwischen uns einfach gepasst hat. Ich glaube, ich habe meine besten Songs immer mit anderen zusammen geschrieben.
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