Genie oder bloß guter Selbstdarsteller?

Man liebt ihn oder man hasst ihn. Diejenigen, die zur ersten Kategorie gehören, sind auf Mallorca wohl in der Überzahl. Denn wenn Galerist Gerhardt Braun in Palma zu einer Vernissage seines Schützlings Leon Löwentraut einlädt, strömt stets eine glamourös herausgeputzte, treue Fangemeinde herbei. Doch ist der heute 27-jährige deutsche Künstler wirklich so gut, wie viele meinen, oder weiß er sich nur gut zu verkaufen? Dieser Frage geht eine neue ARD-Dokumentation nach, die ab Dienstag (2. Dezember) in der Mediathek abrufbar ist und zudem am 6. Dezember um 21.55 Uhr auf 3Sat läuft: "Leon Löwentraut – Genie oder Einbildung?"
Der Trailer zum Film steigt mit einem selbstbewussten Statement des polarisierenden Künstlers ein: "Eine große Vision mit meiner Kunst ist, dass die ganze Menschheit meine Werke kennt, dass ich natürlich auch über die Museen und Galerien in die Kunstgeschichte eingehe" – eine Idee, von der Löwentraut bereits 2021 in einem Interview mit der Mallorca Zeitung gesprochen hatte. In einem Filmausschnitt ist Gerhardt Braun zu sehen, der den Künstler auf Spanisch in seiner Galerie einer Gästeschar vorstellt. "I think he's a genius!", urteilt einer der Ausstellungsbesucher.
"Sehr bonbonhaft und auf grelle Weise übersteuert"
Kontrasiert wird die Begeisterung mit Aussagen von Kunstexperten, die härter mit Löwentrauts Werk ins Gericht gehen: "Es wirkt sehr bonbonhaft und auf grelle Weise übersteuert" oder "In dem, was er tut, ist er ziemlich gut. Nur ist das völlig überflüssig, was er macht. Es ist Unterhaltung." Über 1,2 Millionen Follower auf Instagram und Ausstellungen in Städten wie New York, London, Paris, Zürich, die ein weltweites Publikum begeistern einerseits, auf der anderen Seite Kritik aus der etablierten Kunstszene, die Löwentraut als Selbstdarsteller bezeichnet, dessen Kunst es an Tiefe und Substanz mangelt. Hinzu kommen Hass und Neid auf Social Media.

Leon Löwentraut im Sommer 2024 in seiner Ausstellung bei Gerhardt Braun in Palma. / B. Rohm
Zwar sagt der 27-Jährige selbst: "Ich bin kein Künstler, der allen gefallen möchte und everybody's Darling ist". Dennoch gehe die Ablehnung nicht spurlos an ihm vorbei, so der Film. Die Fragen im Ankündigungstext zur Doku lauten: "Wer ist Leon Löwentraut, der scheinbar mühelos auf den Bühnen der Kunstwelt tanzt und doch so oft aneckt? Wie geht er mit der ambivalenten Wahrnehmung um? Woher kommt sein extremes Selbstbewusstsein, das viele fasziniert und andere provoziert?" Im Film gibt es Szenen aus Löwentrauts Leben "zwischen Jetset und Atelier, zwischen Vernissagen, Alltag und Familie" zu sehen.
Das Familienkonstrukt Löwentraut
Das differenzierte Porträt zeige erstmals ausführlich den Menschen hinter der Fassade und das Familienkonstrukt Löwentraut, das gemeinsam an der Karriere des (inzwischen den Kinderschuhen entwachsenen) "Wunderkinds" bastelt. Auf einem Areal in Mönchengladbach leben die Eltern und ihr Sohn zusammen in zwei Häusern, wobei der Künstler dort zusätzlich ein Atelier hat. Bereits im Trailer kommen seine Eltern zu Wort: "Dieser Zusammenhalt zwischen uns dreien. Das ist natürlich primär und ganz, ganz wichtig", sagt Mutter Heike. Und Leons Vater Jörg Löwentraut betont: "Du machst dir natürlich als Eltern immer Sorgen um dein Kind, weil er ja, sag’ ich mal, sehr ehrgeizig ist, aber trotzdem auch von sich selbst geplagt ist." Die Doku fragt: "Wie geht die Familie mit Kritik und Erwartungsdruck, Image und Identität um?"
"Am Ende des Tages kannst du auch nur deiner Familie am meisten vertrauen, gerade wenn du dich in so einem Haifischbecken wie in der Kunstszene bewegst", sagt Löwentraut, der bereits mit 14 Jahren das Gefühl hatte, seinen eigenen Weg gehen zu müssen und konsequent an seinem Erfolg arbeitete. "Ich wollte natürlich immer Künstler werden. Es war mein Traum, ich wollte ihn verwirklichen, aber es hat natürlich auch Schattenseiten, mit denen man klarkommen muss", reflektiert er im Film. Ein Spannungsfeld, das die ARD nun intensiv beleuchtet.
